Wohnheimbrand
Presse 2011
Wäschetrockner setzt Wohnheim in Brand
Feuerwehr rettet alle Bewohner
Fotos: Jens Burmester
Koberg - 150 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst waren gestern bei einem Feuer in Koberg im Einsatz. Gegen 21.35 Uhr löste die Leitstelle in Bad Oldesloe den Alarm mit dem Stichwort "ManV II" aus. Das bedeutet ein Massenanfall von Verletzten bei einer Personenzahl zwischen 11 und 20.
Eine Mitarbeiterin der Einrichtung der Einrichtung für betreutes Wohnen in Kobergwurde mit einer leichten Rauchgasvergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert, die übrigen Personen brachten die Einsatzkräfte zunächst in das nahe gelegene Feuerwehrhaus. Die meisten von ihnen waren nur spärlich bekleidet, wurden in Decken gehüllt über die Straße geführt. Zwei pflegebedürftige Bewohner wurden ebenfalls in eine Klinik gebracht.
Dichter Qualm zog bereits durch das große Gebäude, dass früher mal ein Bauernhof war. In der Einrichtung sind derzeit 20 Personen untergebracht. Alle Bewohner gelten als Betroffene. Während die ersten Feuerwehrkräfte unter Atemschutz in das Gebäude gingen und den Brandherd suchten, schoben einige andere von ihnen an der Rückseite des Gebäudes ein Bett mitsamt einem Patienten durch die Tür ins Freie. Dort übernahm dann der Rettungsdienst die Person zur weiteren Versorgung.
Insgesamt waren sieben Rettungswagen und vier Notarzteinsatzfahrzeuge des hauptamtlichen Rettungsdienstes aus dem Herzogtum Lauenburg und Stormarn im Einsatz. Dazu kamen noch einmal vier Rettungswagen mit den SEG-Kräften aus dem Herzogtum Lauenburg. Ein Fahrzeug der Feuerwehr Glinde brachte den Leitenden Notarzt zur Einsatzstelle und vom Kreisfeuerwehrverband wurde die Technische Einsatzleitung angefordert.
Wie sich im Laufe des Einsatzes herausstellte, war ein technischer Defekt an einem Wäschetrockner der Auslöser für den abendlichen Großeinsatz. Für die Feuerwehr in Koberg ist das der "worst case", das Schlimmste, was ihnen passieren kann, wenn es in dieser Einrichtung zum Ernstfall kommt. Glücklicherweise waren die Feuerwehrkräfte schnell vor Ort und konnten so schlimmeres verhindern.
Die Zusammenarbeit zwischen Feuerwehr und Rettungsdienst hat hervorragend funktioniert", lobte Kreiswehrführer Michael Raddatz, der ebenfalls an die Einsatzstelle geeilt war.
Für die Bewohner der Einrichtung gab es an diesem Abend allerdings kein Zurück mehr in das Haus. Sie wurden später nach Rücksprache mit Ordnungsamt und Bürgermeister in das Dorfgemeinschaftshaus gebracht, wo sie für die Nacht untergebracht wurden.
20 Pflegebedürftige nach Brand in Koberger Haus gerettet
Großeinsatz von Feuerwehr und Notärzten am späten Donnerstagabend. Wäschetrockner hatte Feuer gefangen. Bewohner vorerst im Gemeindehaus untergebracht.
Koberg - Das hätte durchaus in einer Katastrophe enden können. Es war nur ein Wäschetrockner, der am Donnerstagabend Feuer gefangen hatte, und es war sicherlich auch dem schnellen und umsichtigen Handeln einer 32-jährigen Pflegekraft zu verdanken, dass alle Bewohner des alten Bauernhauses in Koberg ohne Blessuren davon kamen. Alle werden vom Pflegedienst Hamester betreut, einige sind auf den Rollstuhl angewiesen, sogar ein Wachkomapatient musste gerettet werden. Offiziell gelten die Wohngruppen jedoch nicht als Pflegeheim.
Gegen 21.30 Uhr hatte die Pflegerin eine starke Rauchentwicklung im Gebäude bemerkt und schnell die Feuerwehr gerufen. Als erste kam die Freiwillige Wehr aus Koberg. Einsatzleiter Timo Wille erhielt die Info, dass etwa 20 Personen, viele davon in Rollstühlen, noch im Gebäude seien. "Parallel zur sofort eingeleiteten Menschenrettung, forderte ich sämtliche Wehren aufgrund dringend benötigter Atemschutzgeräteträger aus der näheren Umgebung nach", berichtete er später.
Die Leitstelle alarmierte ein Großaufgebot an Rettungskräften mit dem Einsatzstichwort ,Massenanfall an Verletzten'. "Am Einsatz beteiligt waren die acht Freiwilligen Feuerwehren aus Koberg, Nusse, Ritzerau, Schiphorst, Sirksfelde, Borstorf und Linau sowie die technische Einsatzleitung und die Rufbereitschaft der Kreisfeuerwehrverbandes", zählte Kreiswehrführer Michael Raddatz auf. Insgesamt waren rund 150 Kräfte vor Ort, denn die Brandschützer erhielten auch noch Unterstützung durch vier Notärzte aus Mölln und Geesthacht, den leitenden Notarzt, sieben hauptamtlich und vier ehrenamtlich besetzte Rettungswagen mit der Schnellen Einsatzgruppe.
Atemschutzträger brachten immer wieder ältere Menschen, denen Fluchthauben übergezogen wurden, aus dem verqualmten Gebäude nach draußen und übergaben sie dort den Sanitätern. Zwei Bewohner, davon ein Wachkomapatient, sowie eine Pflegerin mussten mit Verdacht auf eine Rauchgasvergiftung ins DRK Krankenhaus nach Ratzeburg gebracht werden. Die anderen 17 Bewohner wurden im Dorfgemeinschaftshaus, das als Notunterkunft hergerichtet wurde, untergebracht. Nachdem der brennende Wäschetrockner gelöscht war und um 22.15 Uhr die Meldung "Feuer aus, 20 Personen gerettet" kam, wurde das gesamte Haus nochmals überprüft. Wann die Bewohner zurück in die Einrichtung können, ist noch unklar. Zur Schadenshöhe liegen noch keine Angaben vor. Gegen 3.35 Uhr war der gesamte Einsatz beendet.
Das ehemalige Bauernhaus in der Dorfstraße 70 ist in vier Wohngruppen eingeteilt, in denen die Bewohner von einem ambulanten Pflegedienst betreut werden. Wie viele es genau sind, darüber scheiden sich die Geister. Nach Auskunft des Vermieters, einem Landwirt aus Rethwisch, sind es 19 Menschen, nach Auskunft der Pflegefirma sind es 20. Doch beim Einwohnermeldeamt, sagt Sandra Hillebrandt vom Ordnungsamt Sandesneben/Nusse, seien nur 18 Menschen gemeldet. Alle Bewohner leben in eigenen, etwa 20 Quadratmeter großen Zimmern, die sie selbst gemietet haben. Es sind kranke oder behinderte Menschen, die nicht mehr alleine leben können. Allerdings handelt es sich offiziell nicht um eine Einrichtung "Betreutes Wohnen" oder gar um ein Pflegeheim, auch wenn es von außen so aussieht. Mitarbeiter des Pflegedienstes sind ständig vor Ort und es ist auch eine ständige Nachtwache eingerichtet. Rechtlich ist jeder Bewohner aber ein eigenständiger Mieter. Somit sind alle Kontrollen in Bezug auf Pflegeheim oder ambulantes betreutes Wohnen ausgehebelt.
Von Jens Burmester und Christian Nimtz, Lübecker Nachrichten
Wie sicher ist die billige Alternative zum Pflegeheim?
Vom Koberger Dorfgemeinschaftshaus (hinten) rollten Helfer die Betten der Pflegebedürftigen zurück in die Wohngemeinschaft.
Foto: hfr
Koberg - Den vergangenen Donnerstag werden die Bewohner des Hauses Dorfstraße 70 wohl nie vergessen. Feuer in ihrem Haus, Großeinsatz aller Wehren der Umgebung, Retter schieben sie in Betten und Rollstühlen zum Dorfgemeinschaftshaus, wo sie für ein paar Tagen unterkommen.
Jetzt sind sie zurück in ihrer eigenen Wohnung, denn der brennende Wäschetrockner hatte nur einen Raum verwüstet, und jetzt möchten sie Danke sagen. Danke an alle Feuerwehrleute, Notärzte und Retter, Danke der Gemeinde Koberg. Und vor allen Dingen Danke an alle Koberger, die sofort zur Stelle waren, um den evakuierten Bewohnern der Wohngemeinschaften mit Decken, Getränken und warmherzigem Zuspruch nach dem Schreckensereignis zur Seite zu stehen.
Doch jetzt werden Fragen nach der Sicherheit in dem Gebäude und an der Form dieser Wohngemeinschaft immer lauter. Der Bürgermeister der Gemeinde Rethwisch (Kreis Stormarn), Jens Poppinga, ist Besitzer des Hauses in der Koberger Dorfstraße. Er hat das alte Bauernhaus vor Jahren umgebaut. Zunächst war es nur der früher ohnehin als Wohnraum genutzte Teil. Später wurden auch die ursprünglichen Stallungen, in denen zunächst eine Rohrbiegerei untergebracht war, umgebaut. Inzwischen ist dort Platz für etwa 20 Bewohner, die dort in vier voneinander unabhängigen Wohngruppen leben. Es sind Menschen, die in irgendeiner Form behindert sind oder einmal einen schweren Unfall oder eine Krankheit hatten. Keiner von ihnen kann mehr alleine leben. Dass die Bewohner ihren freien Willen ausgeübt haben und ausnahmslos den gleichen ambulanten Pflegedienst in Anspruch nehmen und offenbar auch noch andere Firmen des Inhabers, wie zum Beispiel Therapiezentren nutzen, könnte natürlich ein Zufall sein.
Mit dem Selbstbestimmungsstärkungsgesetz hat der Gesetzgeber diese Grauzone geschaffen, in der Pflegedienste wie der von Monika Hamester in Koberg ihrer Arbeit nachgehen. Weil das Haus von Jens Poppinga wie ein normales Mietshaus gesehen wird, greifen keine behördlichen Kontrollmaßnahmen. Das bestätigt Dr. Matthias Badenhop vom Landesministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit in Kiel.
Auch in der Kreisverwaltung in Ratzeburg erklärt der Leiter des Fachbereichs Jugend, Familie, Schule und Soziales, Rüdiger Jung, auf Anfrage der LN: "Uns sind die Hände gebunden. Jeder Bewohner ist Mieter und wird von einem Pflegedienst betreut. Das ist kein Heim, und somit sind auch wir nicht zuständig." Selbst baurechtlich ist es äußerst schwierig, einzuschreiten. Der Fachdienstleiter Ordnung in der Kreisverwaltung, Jürgen Pahl, sieht das wie auch Sandra Hillebrandt, zuständige Ordnungsamtsleiterin des Amtes Sandesneben/Nusse: "Man muss das wohl wie ein normales Mietshaus sehen, und deshalb können wir nicht einschreiten." Dennoch ist noch für diese Woche eine Begehung des Objektes mit der örtlichen Feuerwehr, dem Kreiswehrführer, dem Ordnungsamt und dem Brandschutzingenieur des Kreises geplant. Das bestätigte Kreisbrandmeister Michael Raddatz den LN.
Während in einem Pflegeheim wie dem "Haus Seeblick" in Mölln oder dem Pflegeheim in Sandesneben regelmäßig die zuständigen Feuerwehren zum Üben kommen und in regelmäßigen Abständen auch Heimaufsicht, Gewerbeaufsichtsamt, der Brandschutzingenieur, die Arbeitssicherheit, der TÜV, das Gesundheitsamt, das Veterinäramt und der medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Kontrolle erscheinen, entfällt das alles bei der in Koberg gewählten Form.
Ob das so mit dem Selbstbestimmungsstärkungsgesetz vom Gesetzgeber gewollt ist, ist fraglich. "Natürlich hat jeder seine Daseinsberechtigung. Doch das sollte im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen für alle gleich sein und niemandem die Möglichkeit bieten, Grauzonen auszunutzen", sagt Frauke Thater, die in Mölln und Sandesneben zwei Pflegeheime betreibt. Zustimmung erhält sie von Ingrid Brandstädter, die das Haus Seeblick in Mölln aufgebaut und bis vor kurzem auch betrieben hat, ehe sie die Leitung an ihre Tochter übergab. In Mölln werden ähnliche Fälle wie in Koberg betreut. "In einem Pflegeheim wie bei uns setzen sich die Kosten für einen Platz aus den drei Komponenten Pflegekosten, Investitionskosten und den Unterhalts- und Verpflegungskosten zusammen. Das ist in der Wohngemeinschaft anders. Da zahlen die Bewohner ihre Miete, und alles andere wird von den Kassen bezahlt, weil es zuvor von Ärzten rezeptiert wurde."
Während in Heimen die Sicherheit der Bewohner groß geschrieben, kann davon in der Koberger Einrichtung nicht die Rede sein. Brandschutztüren, zweiter Rettungsweg oder gar eine Brandmeldeanlage, die bei der Rettungsleitstelle direkt aufläuft, gibt es in dem Gebäude nicht. Lediglich Rauchmelder in den Zimmern warnen vor einer Katastrophe. Was aber, wenn ein Feuer ausgebrochen ist und die einzige Nachtwache nicht mehr an ein Telefon kommen kann? Über einen solchen Fall mag niemand so recht nachdenken.
Von Jens Burmester, Lübecker Nachrichten